Warum die US-Wahl die Krise der Medien beschleunigt
Der Ausgang der US-Wahl war für den deutschen und amerikanischen Journalismus ein neuer Tiefpunkt. Kaum ein Journalist der Top- und Leitmedien hatte einen Wahlsieg Trumps für möglich gehalten.
Warum schrieb die große Mehrheit der Journalisten an der Realität vorbei? Und wie konnte es Trump gelingen, mit seinem Konfrontationskurs gegen die etablierten Medien die Wahl zu gewinnen? In einem Gast-Vortrag im Rahmen der Ring-Vorlesung „Digitaler Wandel“ an der Technischen Hochschule Nürnberg beleuchtete Agenturinhaberin Verena Köttker die vier Säulen der Wahlkampfstrategie von Donald Trump.
Die Kommunikationskanäle
Ausgerechnet der Mann, dem seine Sekretärin die Social Media-Kanäle erst erklären musste, etablierte mit seinem Team Facebook und Twitter im absoluten Turbo-Tempo zu eigenen „News“-Plattformen. Waren es im März 2016 noch 15.4 Millionen Follower, folgten Trump im Dezember bereits 37.5 Millionen.
So gelang es Trump gleichzeitig die klassischen Medien wie Zeitungen, TV und Radio zu umgehen und zu nutzen: Neben den über 37 Millionen Menschen, über die Trump im Wahlkampf über seine Social Media Kanäle im Wahlkampf ungefiltert und direkt kommunizieren konnte, wurden seine besonders aggressiven Botschaften von den Medien weiter verbreitet. Allein auf den Online-Seiten von The New York Times, The Washington Post und Wall Street Journal erreichte Trump so weiter 140 Millionen Visitors monatlich.
Die Hau-Drauf-Methode
Mit seinen gezielt platzierten Provokationen bediente Trump die Medien wie den pawlowschen Hund. Ein Präsidentenamts-Kandidat, der provoziert, diffamiert und beleidigt – die Medien liebten den Skandal und sorgten dafür, dass Trump weltweit bekannt wird. Je unangepasster der Kandidat, desto breiter die Empörung und Berichterstattung. Nichts ignorieren Journalisten lieber als sachliche Langweiler. Was PR-Leute schon in den Kinderschuhen lernen: auch Negativ-PR ist PR und manchmal die wirkungsvollere. Man darf nur nicht die eigenen Wähler vergraulen. Das beherzigte Trump und machte nur einen Fehler – er attackierte die Eltern eines im Irak-Krieg gefallenen Soldaten.
Der Psycho-Trick…
Mit Hilfe des so genannten Ocean Modells und der Datenfabrik von Cambridge Analytica gelang es dem Trump-Team, die Ansprache potentieller Wähler extrem zu verfeinern.
In der Ausdifferenzierung seiner Zielgruppen, unterteile das Team nicht nur nach Schwarz-Weiß, jung-alt und Frau-Mann, sondern orientierte sich an neuesten Erkenntnissen aus der Wissenschaft.
Danach reichen…
10 Facebook-Likes, um eine Person besser einzuschätzen als ein durchschnittlicher Arbeitskollege.
150 Likes, um das Wissen der Eltern zu übertreffen und 300 ausgewertete Likes, damit ein Programm das Verhalten eines Menschen besser voraussagt kann als deren Partner.
…kombiniert mit Big-Data…
Die Ergebnisse des Ocean Modells wurden mit persönlichen Daten, wie z.B. aus Einwohnermeldeämtern, Kreditinstituten, Mitgliedskarten uvm. zusammengeführt und als Persönlichkeiten-Gesamtpaket an das Wahlkampfteam übergeben. Durch die Kombination dieser Daten erhielt Trumps Team Informationen über reale Menschen mit Ängsten, Bedürfnissen, Interessen und ihren Wohnadressen.
Das Trump-Team beherzigte die ältesten PR-Regel der Welt: One size does not fit all!
In der folgenden Zeit wurden die bisherigen Aussagen Trumps mit den Psychogrammen der Wahlberechtigten abgeglichen und in unzähligen verschieden Versionen via Ad-Targeting an seine Follower in den eigenen Social Media Plattformen verbreitet.
Parallel machten sich die Wahlhelfer, ausgestattet mit einer speziellen App, auf den Weg zu den noch unentschlossenen Wählern in den Swing-States, um sie für Trump zu gewinnen.
Das Ergebnis ist bekannt.
Obwohl Trump allein 15 Millionen Euro für das Social-Media-Datenmanagement investierte, war sein Wahlkampf günstiger und effizienter als der von Hillary Clinton. Für die Demokratin stimmten zwar über 2 Millionen mehr Wähler als für Trump – aber Trump holte die so genannten Swinging States und damit das Präsidentenamt.
Fazit: Der Wahlsieg von Donald Trump zeigt, dass die Kommunikation der politischen Parteien im Bundestagswahlkampf 2017 komplexer gedacht werden muss als jemals zuvor. Es gilt eine Strategie zu entwickeln, die einerseits Populismus und Fake-Posts pariert und die verloren gegangene heimliche Wählerschaft mobilisiert.
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